„Hey V., ich hab gerade mit meiner Mutter telefoniert“, sage ich an meine Mitbewohnerin gewandt. „Sie hat erzählt, dass sie den Kater jetzt auf Diät gesetzt haben.“ – „Was echt? Haha, das wird ihm nicht gefallen!“, sagt V. Ich: „Überhaupt nicht. Während wir telefoniert haben, hat er die ganze Zeit rumgequäkt, wie ein kleines Kind.“ – „Haha, wie lustig!“ Im Anschluss an das Gespräch sehen wir uns ein Video an, in dem besagter Kater vor dem Haus meiner Eltern liegt und sein Fell schleckt.
„Hey Lisa, ich war gerade beim Bäcker“, sagt T. „Cool, was hast du gekauft?“, frage ich interessiert. „Ein Roggenbrot.“ – „Geil. Kann ich mal sehen?“, frage ich und lunze in die Bäckertüte. „Es war nicht so viel los heute“, berichtet T. „Aber es dürfen jetzt nur noch jeweils drei Leute gleichzeitig in den Laden rein, deshalb musste ich erst noch ne Weile draußen warten.“ – „Ah, krass.“ – „Jo. War eigentlich ganz nice. Da, wo ich stand, war‘s sonnig. Das war ganz angenehm.“ – „Sehr schön!“, sage ich. T. erzählt weiter: „Auf dem Rückweg kommt man doch an so nem Haus vorbei, mit schwarz gestrichenem Sockel, weißt du, wo ich mein?“ – Ich (gespannt): „Ja, klar!“ T: „Auf dieser schwarzen Fläche hat wohl ein Kind mit weißer Kreide rumgekritzelt, da sind jetzt lauter Zeichnungen drauf!“ – „Haha, wie gut!“, rufe ich entzückt. Wir lachen ausgelassen. Danach schauen wir uns die Fotos an, die T. auf dem Rückweg vom Bäcker geschossen hat.
So oder so ähnlich verliefen in den letzten Tagen nicht wenige Gespräche in unserer WG. Kein Wunder, schließlich verlassen wir das Haus kaum noch. So ist es mittlerweile ein regelrechtes Spektaktel, wenn wir doch mal raus gehen. Ey, guck mal, was ist das für ein Blumenkübel? Der stand da gestern noch nicht? – Oh schau mal, da sind Menschen, die im Hinterhof Basketball spielen! Krass.
Auf dem Baum vor unserem Haus leben Eichhörnchen. Ich verbringe jetzt viel Zeit damit, sie zu beoachten und nenne sie liebevoll „Eichis“. „Ey T., du hast vorhin was verpasst! Der junge Eichi ist seiner Mutter gefolgt und wär dabei fast vom Baum gefallen!“ – „Krass. Ist das eigentlich noch ein richtiges Baby?“ – „Nee, mehr so ein Jugendlicher, schätze ich.“
Aber noch viel krasser: Der Koch beim Italiener hat uns neulich versehentlich Schinken auf die Pizza gelegt, hatte aber keinen Teig mehr, um ne neue Pizza zu backen. Würden wir trotzdem noch zu unserer vegetarischen Pizza kommen? Letztlich tauschte der Boi den Schinken mit Tomaten aus und schenkte uns als Entschädigung ne Flasche Wein („Die hätte normalerweise 15 Euro gekostet!“) Das war schon ziemlich aufregend.
Seit Neuem fahre ich – wenn Homeoffice nicht möglich ist – mit dem Rad zur Arbeit. Die Impressionen auf dem Weg erschlagen mich fast. Hie ein Garten, der mir noch nie aufgefallen ist, dort eine Familie auf dem Gehweg, die ganz interessant aussieht. Neulich entdeckte ich einen neuen Schleichweg und fand mich plötzlich in einem wunderschönen Park wieder. Ich flippte schier aus!
Das Telefonieren, das Skypen mit Familie und Freunden war anfangs tatsächlich noch spannend. Endlich hatte man Zeit, sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. Doch mittlerweile ist es langweilig geworden. „Ich hab nix mehr zu erzählen“, sagte jüngst eine Freundin mitten in der Skype-Konferenz. In einer anderen Skype-Runde zählt das Baby einer Freundin zu den absoluten Highlights. Haha, was sie jetzt schon wieder macht! Entsetzen breitet sich aus, wenn die Kleine mal nicht mehr im Video ist – und somit nix mehr passiert.
Neulich brachte mich der Tweet einer fremden Person zum Lachen, weil ich mich darin selbst wiedererkannte. Sie schrieb in etwa: „Heute im Supermarkt drei Flaschen Wein auf das Förderband gelegt. Der Mann hinter mir, den Sicherheitsabstand wahrend. ‚Du trinkst wohl gern Wein?‘ Ich: ‚Ja.‘ – Aufregendste Unterhaltung seit drei Wochen.“
Ich selbst war vorgestern auf unserem Balkon und vereinzelte Tomaten. Während ich die kleinen Pflanzen behutsam voneinander trennte, nahm ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. Eine Nachbarin! Sie hatte mich auch schon entdeckt. Schüchtern lächeln wir uns zu. „Hallo“, sage ich. Sie (erfreut): „Hallo!“ Pause. Dann: „Habt ihr Pflanzen gekauft?“ – „Ja, man hat ja jetzt viel Zeit zum Anpflanzen.“ – „Das stimmt. Geht‘s euch denn gut?“ Daraufhin erzähle ich vom spannenden Alltag in unserer WG. Anschließend erzählt sie von ihrem. Irgendwann beschließen wir: Wenn all das vorbei ist, wollen wir uns mit allen Nachbarn unten im Hof treffen, auf ein Bier oder so. Sie freut sich. Ich mich auch.
Nach dem Gespräch von Balkon zu Balkon muss ich schnell zurück in die Wohnung – meinen Mitbewohnern von der Unterhaltung berichten!